
Zu dem Automobilunglück bei Rüppurr
Zu dem Automobilunglück bei Rüppurr erfahren wir noch folgende Einzelheiten: Direktor Karl Neumaier begab sich Samstagnachmittag um ½ 3 Uhr in Begleitung des Schuhfabrikanten Julius Rosenthal aus Hechingen und dem Chauffeur Emil Ross von Mannheim zu dem Oberrheinischen Zuverlässigkeitsflug nach Baden-Baden. Bei zwei Herren muss der Tod sofort eingetreten sein, der dritte war noch am Leben, als die Gerichtskommission von Karlsruhe an der Unfallstelle eintraf. Das Automobil war ein geschlossener Wagen von 40 PS. Die Herren äusserten noch vor ihrer Abfahrt, dass sie am Sonntagabend wieder in Mannheim eintreffen wollten.
Direktor Neumaier war ein vorzüglicher Automobilfahrer und war den letzten Herkomer- und Prinz-Heinrich-Fahrten siegreich beteiligt. Der umso schreckliche Weise ums Leben Gekommene stand der Rheinischen Automobil-Gesellschaft in Mannheim seit deren vor wenigen Jahren erfolgten Gründung vor. Das Geschäft nahm unter seiner umsichtigen Leitung rasch einen grossen Aufschwung. Sämtliche Mitglieder des Direktoriums der Rheinischen Automobil-Gesellschaft Benz u. Co. Begaben sich sofort nach Eintreffen der Unglücksnachricht nach der Unglücksstelle.
Der Chauffeur Ross ist seit 2 Jahren als Chauffeur bei der Firma angestellt und wird als ein durchaus zuverlässiger, nüchterner Mann geschildert. Er war ebenfalls in vorzüglicher Automobilist und stand im Alter von 24 bis 25 Jahren. Herr Rosenthal aus Hechingen befand sich seit einigen Tagen geschäftlich in Mannheim. Er war ein Freund des Direktors Neumaier, der ihn zu einer Automobilfahrt nach Baden-Baden einlud, die nun auf so verhängnisvolle Weise rasch ihren Abschluss fand. Direktor Neumaier ist verheiratet und steht im Alter von 42 bis 43 Jahren und hinterlässt eine Frau und 2 Kinder. Seine Frau befindet sich gegenwärtig zu Besuch in Köln. Herr Rosenthal aus Hechingen stand im Alter von 32 bis 33 Jahren und hinterlässt neben seinen Eltern eine Frau mit einem Kinde.
Die Leichen der drei verunglückten Automobilisten wurden am Samstagabend nach 9 Uhr in 3 Leichenwagen nach dem hiesigen Friedhof gebracht. Die Gattin Neumaiers war wenige Stunden nach dem Unfall bereits hier eingetroffen und hatte sich an die Stelle der Katastrophe begeben. Gestern war diese das Ziel vieler Wanderer, die lebhaft über das Unglück diskutierten. Bereits am Morgen zählten die Schaulustigen nach hunderten. Viel erörtert wurde die Frage des Fehlens einer Schranke. Zu dem Unglück, dem schlimmsten, das sich seit Jahren nicht nur unserer Nähe, sondern in ganz Baden zugetragen hat, wird uns aus Automobilistenkreisen geschrieben:
Der Automobilist hat sich nachgerade daran gewöhnt, von der Gesetzgebung und dem Urteile der grossen Menge als ein Paria betrachtet zu werden, dem bei jedem Vorkommnis ohne Besinnen immer die Schuld zugeschoben wird. Dass oft Bauernfuhrwerke, aus Grundsatz, möchte man meinen, immer die linke Strassenseite benutzen, Kutscher von Milchführwerken oft während der Fahrt ihren Mittagsschlaf halten, das sind so alltägliche Dinge, dass sich die öffentlichen Sicherheitsorgane kaum darüber aufregen. Und so mag es auch nicht wundernehmen, wenn bei der Anlage unserer Kleinbahnen Zustände geschaffen und geduldet werden, bei denen eine einfache Wahrscheinlichkeitsrechnung lehrt, wie viele Menschen in einer bestimmten Zeit überfahren werden müssen.
Die Kleinbahn nach Herrenalb kreuzt die öffentliche Strasse ohne jede Sicherheitsvorkehrung zwischen Karlsruhe und Ettlingen nicht weniger als viermal, und zwar in einer unverantwortlich gefährlichen Weise. Dass von einem aus der Bahnüberführung bei Beiertheim herauskommenden Zuge nach niemand überfahren worden ist, ist nur ein Zufall. Dass diese Bahn die öffentliche Strasse hinter der Überbrückung der Güterbahn vor Rüppurr plötzlich schneidet, dass derselbe Fall hinter Rüppurr und noch einmal in Ettlingen am Exerzierplatz eintritt, kann nur der Einheimische wissen. Ein fremder Automobilist wird ahnungslos, wie es leider jetzt geschehen ist, in diese Automobilfallen im wahren Sinne des Wortes hineinfahren.
So alle dem kommt noch ein Umstand, auf den hier öffentlich aufmerksam gemacht werden möge. Die elektrischen Lokomotiven dieser Linie sind mit Hupen ausgerüstet, unseres Erachtens in gesetzwidriger Weise, genau wie ein Automobil. Lässt nun der Lokomotivführer mit dieser Hupe sein Warnungssignal ertönen, so wird naturgemäss jeder lokalunkundige Automobilist vermuten, dass er einem anderen Auto begegnet und darum von der Bahn keine drohende Gefahr erwarten und ahnungslos in diese hineinfahren.
22.05.1911, Karlsruher Tagblatt, Zweites Blatt – Original Artikel
Nahen Rüppurr und Ettlingen ein schweres Automobilunglück
Karlsruhe, 21. Mai. Am Samstagnachmittag ereignete sich auf der Strecke der Albtalbahn zwischen dem nahen Rüppurr und Ettlingen ein schweres Automobilunglück zum Opfer fielen. Das Unglück ereignete sich in dem Augenblick, als der von Ettlingen kommende elektrische Zug die schrankenlose Strasse passierte. In demselben Augenblick wollte auch ein aus Mannheim kommendes Automobil, dessen Insassen sich zu den Fliegen nach Baden-Baden begeben wollten, die Gleise überqueren. Die Folgen des Zusammenstosses waren entsetzlich. Beim ersten Anprall schob sich das Automobil an dem elektrischen Motorwagen in die Höhe, zertrümmerte sämtliche Scheiben des Führerstandes und verletzte den Zugführer erheblich im Gesicht und an den Händen. Dann schob der schwere Motorwagen das buchstäblich zuschmetterte Automobil noch eine Strecke von 80-100 Metern auf dem Gleise vor sich her. Da der Zug der Albtalbahn eine Nachschub-Lokomotive hatte, so war es dem Führer des elektrischen Wagens nicht möglich sofort die Bremsen anzuziehen, weil dadurch die zwischen Motorwagen und Nachschub-Lokomotive befindlichen Wagen aufs äusserste gefährdet, schliesslich zur Entgleisung gekommen oder zusammengedrückt worden wären. Dadurch wird es erklärlich, warum das Automobil, dessen Trümmer den Bahndamm in weitem Umkreise bedeckten, eine so lange Strecke unter dem elektrischen Wagen eingezwängt, fortgeschleift worden war. Der eine Insasse, der 33 Jahre alte Kaufmann Rosenthal (verheiratet, 1 Kind) wurde nach dem ersten Anprall aus dem Automobil geschleudert und blieb sofort tot liegen. Der weitere Insasse, der Direktor der Mannheimer Automobil-Zentral, der verheiratete 42jährige Karl Neumaier wurde unter den Motorwagen des elektrischen Zuges geschleudert und hier eine Strecke mitgeschleppt. Der eine Arm wurde halbwegs abgerissen, die Kopfhaut glatt abrasiert und die Schädeldecke gespalten, die Eingeweide lagen mehrere Meter zwischen den Gleisen. Der 23 Jahre alte ledige Chauffeur Ross, gleichfalls wie die beiden anderen Herren aus Mannheim, war auf seinem Führersitz eingezwängt, gleichfalls sofort getötet worden. Das Blut, das ihm in Strömen aus den zahlreichen Kopfwunden rann, hatte die ganze Stirnwand des Motorwagens besudelt. Bald nach dem Unglück traf die Gerichtskommission ein, die den Tatbestand aufnahm. An der Unglücksstelle war bis dahin nichts geändert worden; der Verkehr auf der Albtalbahn wurde durch Umsteigen aufrechterhalten. Die Unglücksstelle wurde von Karlsruher Polizeimannschaften abgesperrt, die später, als der Zustrom des Publikums immer stärker wurde, von Mannschaften der Ettlinger Unteroffizierschule Unterstützung erhielten. –
Die Stelle, an der das Unglück sich ereignete, ist als gefährlich bekannt. Schon in früheren Jahren haben sich dort mehrere Unfälle mit tödlichem Ausgang ereignet. Bis jetzt fand man es aber nicht nötig, eine Schränke anzubringen, vielleicht, dass dieser neue Unfall den staatlichen Aufsichtsbehörden endlich Anlass gibt, der Albtalbahn, deren Betriebsleitung sowieso viel zu wünschen übriglässt, die Aufgabe aufzuerlegen, an der betreffenden Strassenkreuzung eine Schranke anzubringen. Eine weitere Schuld an dem Unglück ist dem Umstand zuzuschreiben, dass durch die Nachschublokomotive ein schnelles Halten des Zuges illusorisch gemacht wurde.
22.03.1911 – Durlacher Wochenblatt (Tageblatt) Nr. 119. – Tagesneuigkeiten Baden.
Schrecklichen Automobilunglück am Samstag bei Ettlingen
Hechingen, 22. Mai. Der so jähe Tod des bei dem schrecklichen Automobilunglück am Samstag bei Ettlingen verunglückten, erst 32 Jahre alten Fabrikanten Julius Rosenthal, Mitinhaber der Hohenzollern’schen Schuhfabrik Moos u. Rosenthal, erweckte hier eine allgemeine und aufrichtige Teilnahme. Die Familie Julius Rosenthal gehört nicht nur zu den angesehensten und geachtetsten jüdischen Familien der hiesigen Stadt, sondern Herr Rosenthal selbst erwarb sich noch in ganz hervorragender Weise die Sympathien aller, die mit ihm zu arbeiten hatten, besonders durch sein Gerechtigkeitsgefühl, durch seine Schaffensfreudigkeit und durch das Wohlwollen, das er stets seinen Arbeitern entgegenbrachte. Das geht zur Genüge auch aus den warmempfundenen Nachrufen hervor, die ihm seine Beamten und seine Arbeiter widmen.
22.05.1911 – Badische Presse : Generalanzeiger der Residenz Karlsruhe und des Großherzogtums Baden, Mittagausgabe – Vermischtes. Original Artikel
Das Automobilunglück bei Rüppurr
Karlsruhe, 23. Mai. Zu dem schweren Automobilunglück wird noch mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft Karlsruhe die Trümmer des verunglückten Wagens beschlagnahmt hat und sie auch vorerst ein gerichtliches Verfahren gegen die Süddeutsche Eisenbahngesellschaft eingeleitet werden soll. Entgegen den Gerüchten, dass Neumaier von hier ab schon zu rasch gefahren sei, sei mitgeteilt, dass die Abfahrt der Verunglückten ziemlich pünktlich um ¾ 2 Uhr erfolgte. Es sind sonach bis zum Unfall etwa 1¼ Stunden seit der Abfahrt vergangen gewesen. Das ist volle Normalzeit für einen 40 PS.-Wagen und von zu scharfem Tempo kann keine Rede sein. Bei den Benzwerken liefen Depeschen ein von Prinzen Heinrich von Preussen, der sich zurzeit in Mülhausen i. E. befindet: «Beklage Verlust des trefflichen Neumaier. Heinrich.» Ferner vom Prinzen Wilhelm von Sachsen-Weimar, Heidelberg. «Bitte, mein eingefühltes Beileid zu dem entsetzlichen Tode Neumaiers und seiner Begleiter auszusprechen. Wilhelm von Sachsen-Weimar».
23.05.1911 Badische Presse : Generalanzeiger der Residenz Karlsruhe und des Großherzogtums Baden, Mittagausgabe – Vermischtes. Original Artikel
Automobilunglück bei Rüppurr, wird noch berichtet
Über den gemeldeten Zusammenstoss eines Automobils mit einem Zuge der Albtalbahn südlich von Rüppurr, bei dem 3 Menschen das Leben einbüssten, wird noch berichtet: Samstagnachmittag gegen ½ 4 Uhr ereignete sich auf der Landstrasse Karlsruhe-Ettlingen an der Stelle, an welcher die Albtalbahn diese Strasse in der Nähe von Rüppurr überschreitet, ein schweres Automobilunglück. Ein Automobil, das von Mannheim kam und sich auf dem Wege nach Baden-Baden befand, wurde von dem 3-14 Uhr von Ettlingen nach Karlsruhe abgehenden Zug der Albtalbahn erfasst und vollständig zertrümmert. Die drei Insassen des Kraftwagens, Direktor Neumaier von der Rheinischen Automobilgesellschaft in Mannheim, der Schuhwarenfabrikant Julius Rosenthal und der Chauffeur Emil Ross aus Mannheim wurden getötet. Direktor Neumaier, der anfangs der 40er Jahre steht, hinterlässt eine Frau und 2 Kinder. Der 33 Jahre alte Fabrikant Rosenthal war ebenfalls verheiratet. Seinen Tod betrauern seine Frau und ein Kind sowie seine Eltern. Wie zu dem verhängnisvollen Unglücksfall weiter gemeldet wird, führen nachmittags ½ 3 Uhr Direktor Neumaier in Begleitung des Schuhwarenfabrikanten Rosenthal und des Chauffeurs Ross vom Mannheim zu dem Oberrheinischen Zuverlässigkeitsflug nach Baden-Baden ab. Sie fuhren in einem Automobil Neumaiers. Auf der Landstrasse zwischen hier und Ettlingen wollten sie mit ihrem Motorwagen nach kurz vor dem von der Station Rüppurr daherkommenden Albtalbahnzug über das Geleise fahren. Es glückte ihnen das aber nicht; in demselben Augenblick, in dem das Automobil die Schienen passierte, wurde es in seiner Breitseite von dem Zuge erfasst. Der Zug sowohl wie das Automobil befanden sich in voller Fahrt, so dass der Zusammenstoss ein ganz gewaltiger war. In einem Augenblick war das Automobil vollständig zertrümmert. Der eine Insasse, Direktor Neumaier wurde von seinem Sitze herausgeworfen und etwa 30 Meter fortgeschleudert. Die beiden anderen Fahrer wurden furchtbar verstümmelt und gerieten unter die Trümmer des Automobils. Alle drei waren sofort tot. – Die 3 Leichen wurden am Samstagabend nach 9 Uhr in 3 Leichenwagen nach dem hiesigen Friedhof verbracht. Die Gattin Neumaiers war wenige Stunden nach dem Umfall bereits hier eingetroffen und hatte sich an die Stelle der Katastrophe begeben.
05.1911 – Karlsruher Zeitung
Das Automobilunglück beim Übergang der Albtalbahn zwischen Rüppurr und Ettlingen
Karlsruhe, 23. Mai. Das Automobilunglück beim Übergang der Albtalbahn zwischen Rüppurr und Ettlingen, bei dem, wie gemeldet, Direktor Neumaier – Mannheim, Fabr. Rosenthal und Chauffeur Ross – Mannheim ihren Tod fanden, wird bei der Bekanntheit des Herrn Neumaier in Mannheim viel besprochen. Den Angehörigen des Direktors Neumaier, eine besonders in hiesigen Sportskreisen bekannte Persönlichkeit, wendet sich allgemeine Teilnahme zu. Herr Rosenthal, der Schwager des Direktors Neumaier, war durch seine öftere Anwesenheit in Mannheim in weiten Kreisen bekannt und wurde überall gern gesehen. Der dritte Tote, Chauffeur Emil Ross, wird als ein nüchterner und gewandter Chauffeur geschildert. Er besass das besondere Vertrauen seines Chefs und war dessen Privat-Chauffeur.
Aus Herrn Neumaiers sportlicher Tätigkeit dürfte das folgende von Interesse sein: Als der Automobilsport aufkam, war Neumaier einer der ersten, der sich diesem Sport mit voller Hingabe widmete. Sowohl bei dem Herkomer- wie bei den Prinz Heinrich-Fahrten war er mit seinem von ihm gesteuerten Rennwagen vielfach Sieger. Als der Automobilsport immer mehr aufkam, gründete er im Verein mit mehreren hiesigen Männern die Rheinische Automobilgesellschaft A.G. in Mannheim, die unter seiner bewährten Leitung blühenden Aufschwung nahm. Die Gründung der Rheinischen Automobilgesellschaft erfolgte am 10. September 1906. Seit dieser Zeit stand Neumaier der Gesellschaft als Direktor vor. Von einer längeren Amerikareise kehrte Neumaier mit grossem Erfolge wieder nach Mannheim zurück. Die Gesellschaft besitzt das Verkaufs-Monopol der Benzwagen für eine grosse Anzahl von Staaten. Direktor Neumaier war It. «M. Gen.-Anz.» eine sympathische und überall gern gesehene Persönlichkeit.
Die Leiche von Rosenthal ist heute früh 4:15 Uhr nach Hechingen und die Leiche Neumaier 9:05 nach Mannheim transportiert worden. Frau Direktor Neumaier, die am Tage des Unglücks in Köln weilte, traf noch am Samstagabend in Mannheim ein. Die Feuerbestattung des Direktors Neumaier findet am Dienstagnachmittag 3 Uhr auf dem Mannheimer Friedhof statt. Direktor Neumaier soll sich auf einer Geschäftstour befunden haben.
Über die Betriebsverhältnisse der Albtalbahn finden sich in der «Frkf. Ztg.» nachfolgende Auslassungen: Dem Zusammenstoss eines Automobils mit einem Zug der Albtalbahn am Samstagnachmittag zwischen Rüppurr und Ettlingen, der 3 Menschenlaben gekostet hat und leicht noch viel verhängnisvoller hätte werden können, sind in den letzten Jahren schon eine Reihe ähnlicher, wenn auch minderschwerer Unglücksfälle genau an der gleichen Stelle hervorgegangen. Die Bevölkerung weisst, obwohl sie sonst wenig automobilfreundlich ist, jetzt wieder ganz offen auf die unzulänglichen Betriebsverhältnisse der Bahn hin, die erste kürzlich elektrischen Betrieb eingeführt hat, ohne dass man jedoch für nötig gefunden zu haben scheint, sonstige Betriebsbesserungen vorzunehmen. Von Karlsruhe her läuft das Geleise links neben der Landstrasse her und überkreuzt diese dann plötzlich an einer Biegung der Strasse, wo ein Gewirr von Obstbäumen, Telegraphenstangen und Leitungsmasten die Orientierung hindert. Trotzdem ist keinerlei Schranke, die vom nahen Elektrizitätswerk leicht zu bedienen wäre, auch nicht einmal ein auffallendes Warnungssignal, angebracht.
Infolgedessen hat es da schon mehrfach Zusammenstösse mit Fuhrwerken gegeben. Es ist noch gar nicht ausgemacht, ob der Führer des Automobils noch vor dem Zuge über das Geleise wollte. Möglicherweise hat er, da ihm der Zug erst im allerletzten Augenblick zu Gesicht kam, bremsen wollen, aber auf der kurzen Strecke sein Fahrzeug nicht mehr zu Stillstand bringen können. Entscheidend für die Katastrophe wurde, dass der Zug der Albtalbahn vorn durch eine elektrische Lokomotive gezogen und hinten durch eine Dampflokomotive gedrückt wurde und keine durchgehende Bremsvorrichtung hatte. So konnte der Führer der elektrischen Lokomotive nicht plötzlich bremsen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, dass sein Zug durch die hinten nachschiebende Dampflokomotive zusammengedrückt wurde.
23.05.1911 – Badische Presse : Generalanzeiger der Residenz Karlsruhe und des Großherzogtums Baden, Mittagausgabe – Vermischtes.
Trauerfeier Carl Neumaier
Mannheim, 23. Mai. Unter grosser Beteiligung wurden heute Nachmittag 3 Uhr die irdischen Überreste des so plötzlich und auf so schreckliche Weise dahingeschiedenen Direktors der Rheinischen Automobilgesellschaft, Carl Neumaier, im hiesigen Krematorium eingeäschert. Die Trauerfeier wohnten bei die Brüder und Söhne des Verstorbenen, Prinz von Isenburg, Vertreterder Stadt, des Aufsichtsrats der Rheinischen Automobilgesellschaft, das gesamte Direktorium der Firma Benz und Cie., die Ingenieure und das kaufmännische Personal, Vertreter der hiesigen Industriefirmen, der frühere Direktor der Firma, Herr Hammesfahr (Heidelberg), die Herren Eugen und Richard Benz, der Vorstand des Automobilklubs und der Radfahrer-Union, sowie viele Freunde und die Chauffeure und das Personal der Rheinischen Automobilgesellschaft. Herr Stadtrabbiner heilt die Trauerrede, in der er auf das unglückliche Ereignis, dem drei hoffnungsvolle Menschenleben zum Opfer fielen, Hinweis und unter dem erschütternden Eindruck alle noch stehen. Er rühmte des Verstorbenen vortreffliche Eigenschaften, seine Tüchtigkeit und seine Verdienste um das Automobilwesen, und bezeichnete ihn als edlen, treuherzigen, offenherzigen und bescheidenen Menschen, der sehr viel Gutes im Stillen getan habe. Herr Bankier Marx widmetet dem Verstorbenen im Namen des Aufsichtsrats der Rheinischen Automobilgesellschaft einen warm gehaltenen Nachruf. Kurze Ansprechen hielten dann noch Herr Direktor Sinner namens der Firma Benz und Cie., Rechtsanwalt Dr. Seelig im Namen des Rheinischen Automobilklubs, und Herr Konsul August Hetschel namens des Hauptkonsulats Mannheim der Allgemeinen Radfahrer-Union. Von den Rednern wurden prachtvolle Kränze niedergelegt, ausserdem noch einer vom Arbeiterausschuss der Firma Benz. Unter den Klängen des Harmoniums sank der Sarg in die Tiefe, die schlichte, aber ergreifende Trauerfeier war beendigt.
24.05.1911 – Badische Presse : Generalanzeiger der Residenz Karlsruhe und des Großherzogtums Baden, Mittagausgabe – Badische Chronik, Karlsruhe, #27 Original Artikel
Zusammenstoss zwischen Zug und Automobil
Mannheim, 20. Mai. In der Nähe von Karlsruhe in Baden, ereignete sich am 20. d. nachmittags ein schweres Automobilunglück, bei dem drei Personen ums Leben kamen. Der von Ettlingen kommende elektrische Zug stiess zwischen Rüppurr und Ettlingen an der Zentrale der elektrischen Albtalbahn mit einem Automobil aus Mannheim zusammen. Die drei Insassen des Automobils wurden auf die Strasse geschleudert und waren auf der Stelle tot. Es waren der Fabrikdirektor Karl Neumaier aus Mannheim, dessen Schwager Julius Rosenthal aus Hechingen in Hohenzollern und der Chauffeur Ross.
Der verunglückte Neumaier war eine in Automobilkreisen sehr bekannte Persönlichkeit. Neumaier rief im Jahre 1906 mit Hilfe einiger Grosskapitalisten die Rheinische Automobil-Aktiengesellschaft ins Leben, deren kaufmännischer Direktor er war. Er nahm an zahlreichen Automobilkonkurrenzen teil und errang aus Benz-Wagen eine grosse Anzahl von Erfolgen. So erhielt er im Jahre 1904 den ersten Preis und ein Diplom in der Preisfahrt Mannheim – Baden-Baden; 1906 den ersten Preis beim Bergrennen auf dem Königstuhl bei Heidelberg, den achten Preis in der Westdeutschen Tourenpreisfahrt, den fünften Preis in der zweiten Herkomer-Konkurrenz, den dritten Preis im Bergrennen auf den Semmering; im Jahre 1907 den fünften Preis bei der dritten Herkomer-Konkurrenz und einen Preis im Semmering-Rennen. Neumaier war stellvertretender Vorsitzender des Rheinischen Automobil-Club und nahm auch im vorigen Jahre an der Prinz Heinrich-Fahrt teil. Er begleitete auch im vorigen Jahre die Benz-Mannschaft nach Amerika, wo ein deutscher Benz-Wagen im Großen Preis von Amerika siegte.
Sonntag, 21.05.1911, Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgen-Ausgabe
Kleines Feuilleton. Ein jüdischer Sportsman

Unter Beteiligung aller Gesellschaftskreise wurden in Mannheim die sterblichen Reste Carl Neumaiers, eines der unglücklichen Opfer der Automobilkatastrophe bei Ettlingen-Karlsruhe, zur letzten Ruhe gebracht. Das tragische Geschick des im schönsten Mannesalter stehenden mutigen Menschen, der in seinem Auto bei den vielen Rennfahrten dem Tode siegreich ins Antlitz gesehen und nun auf so tragische Weise seinen Tod gefunden, hat am Grabe viele Männertränen ausgelöst. Die Freunde des Sports besonders, die in Neumaier einen ihrer regsten Freunde und Förderer hatten, werden den Tod dieses unternehmungslustigen Mannes, dem vor allem die Verbreitung des Automobilsportes in Süddeutschland mit zu verdanken ist, tief beklagen. Und so kam es auch, dass unter den ersten, die der bedauernswerten Familie ihr tiefes Mitgefühl übermittelten, sich Prinz Heinrich von Preussen, Prinz Wilhelm von Sachsen-Weimar, Prinz Salvator von Isenburg u.a. befanden. Auch das badische Grossherzogspaar beweis seine Anteilnahme. Carl Neumaier war Direktor der Rheinischen Automobilgesellschaft in Mannheim. Befreundet schon mit Benz, dem Erfinder des Automobils, hat er durch seine Fahrten dem Benzschen Automobil Weltruf verschafft. 1904 errang er bei der Fahrt Mannheim-Baden den 1. Preis, 1906 beim Königsstuhlrennen ebenfalls einen solchen, in der zweiten Herkomer-Konkurrenz den 5., im Bergrennen auf dem Semmering den 3., in der Herkomer-Konkurrenz im Jahre 1907 den 5., und im neunten Semmeringrennen wiederrum den 1. Preis. Neumaier war stellvertretender Vorsitzender des Rheinischen Automobilklubs.
01.06.1911 – Israelitisches Familienblatt #22; Original Artikel
Rheinische Automobil-Gesellschaft AG
In unser Handelsregister Abteilung B ist heute eingetragen worden: Bei No. 4852 Rheinische Automobil-Gesellschaft Aktiengesellschaft, Mannheim, Zweigniederlassung Berlin, Zweigniederlassung der zu Mannheim domizilierenden Aktiengesellschaft in Firma Rheinische Automobil-Gesellschaft, Aktien-Gesellschaft: Das Vorstandsmitglied Kaufmann Carl Neumaier in Mannheim ist verstorben; ernannt ist der Direktor Hans Georg Prahl in Mannheim zuerst zum stellvertretenden, dann zum ordentlichen Vorstandsmitgliede. Das Vorstandsmitglied Heinrich Schoelvinck von Randow wohnt jetzt in Berlin.
1912 – Reichsanzeiger
Neumaier & Co.
Konkurs-Eröffnungen. (Liste 55) Namen: Firma Neumaier & Co., Inh. Gustav Jochim, Kaufm. Wohnort (Amtsgericht): Mannheim (10)
07.03.1914 –
Neumaier & Co.
Das zur Konkursmasse der Firma Neumaier & Co., Mannheim gehörige Warenlager bestehend hauptsächlich aus Drellen (Satin, Jacquard u. Köper), Posamenten und sonstigen Polsterartikeln, soll en bloc verkauft werden. Der Konkursverwalter Rechtsanwalt Dr. Dührenhelmer. D5034
1914 – Reichsanzeiger, Frankfurt
Ein langwieriger Prozess. Wie der «Mittelbadische Courier» von gutunterrichteter Seite erfährt, ist in dem Prozess der Witwe des Direktors Neumaier der Mannheimer Benzwerke gegen die Albtalbahn wegen des Zusammenstosses des Neumaierschen Autos mit der Albtalbahn am Bahnübergang bei Rüppurr das Urteil gefällt worden. Neumaier ist u Zweidrittel, die Albtalbahn zu einem Drittel schuldig erklärt worden. Bei dem Prozess handelt es sich um den schweren Autounglücksfall, der sich seinerzeit bei Rüppurr ereignete. Das Auto des Direktors Neumaier war beim Strassenübergang von der Albtalbahn erfasst und eine grosse Strecke geschleift worden. Sämtliche drei Insassen des Autos wurden auf der Stelle getötet.
22.07.1914 –
Das Automobil-Unglück bei Rüppurr am 20. Mai 1911
Der Automobilunfall, dem seinerzeit der Direktor Neumaier von der Rheinischen Automobilgesellschaft in Mannheim zum Opfer fiel, war Gegenstand der Verhandlung vor dem Reichsgericht in Leipzig.
Der Sachverhalt war der folgende: Am 20. Mai 1911 fuhr Neumaier zusammen mit seinem Freunde Rosenthal und einem Chauffeur in einem Landauletwagen von Mannheim nach Baden-Baden, um dort einen Kunden aufzusuchen. Unterwegs übernahm R., der grosse Eile hatte, die Führung selber. Bei einer Kreuzung der Landstrasse Karlsruhe-Ettlingen mit der Albtalbahn wurde das Auto vom Zuge erfasst, wobei sämtliche Insassen den Tod fanden. Die Witwe und die beiden Kinder Neumaiers erhoben gegen die Badische Lokaleisenbahn A.G. und den Führer des Zuges, Keller, Klage auf Schadenersatz, wogegen die Beklagten widerklagend Ersatz des gegen den Tod R.s und des Chauffeurs angerichteten Schaden begehrte. Vermutlich befürchtete sie, von deren Erben ebenfalls haftbar gemacht zu werden. Das Landgericht wie das Oberlandesgericht Karlsruhe gab der Klage zu ein Drittel, der Widerklage zu zwei Drittel statt; die Gründe des Oberlandesgerichts lauteten wie folgt:
Die Klage gründet sich auf das Haftpflichtgesetzt. Es ist davon auszugehen, dass eine Haftung der Betriebsunternehmer nicht eintritt, wenn der Unfall durch die eigene Schuld des Getöteten verursacht worden ist. Es steht nun fest, dass im Augenblick des Zusammenstossens R. die Führung hatte: die Lage der Leichen hat dies ergeben. Weiter steht fest, dass R. mit grosser Geschwindigkeit führ; die ca. 68 Kilometer lange Strecke ab Mannheim hatte er in 90 Minuten zurückgelegt. Zeugen bekundeten ebenfalls, dass das Automobil war der Katastrophe sehr schnell führ. Paragraph 18 Abs. 3 der Bundesratsverordnung vom 3. Februar 1910 betreffend Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen bestimmt nun, dass in der Nähe von Eisenbahnübergängen in Schienenhöhe so langsam gefahren werden soll, dass der Wagen im Notfall sofort angehalten werden kann. Es kann sich also nur fragen, ob die Örtlichkeit die Möglichkeit bot, den Übergang rechtzeitig zu erkennen. Die Strecke nähert sich der Strasse im spitzen Winkel: einige Bäume behindern die Aussicht. Indessen zeigen die Masten an der Strecke sowie drei Warnungstafeln von weitem den Übergang an. Hierzu kommt, dass R. die Strasse genau kannte und seinen Chauffeur früher sogar auf die Gefährlichkeit dieses Übergangs aufmerksam gemacht hatte. Auch von einem überraschenden Auftreten des Zuges kann keine Rede sein. Dieser war auf 100 bis 200 Meter zu sehen, führ nicht mehr als 20 Kilometer und gab ausserdem Signale mit der Glocke und Hupe (es handelte sich um einen Motorzug). Wenn also R. den Paragraph 18 a.a. O. befolgt hätte, hätte er das Auto rechtzeitig zu stehen bringen können. Er trägt die alleinige Schuld an dem Unglück. Immerhin hat die Vertriebsgefahr der Beklagten mitgewirkt. Abgesehen von dem Gebundensein des Zuges an die Schienen hat noch der Umstand, dass seine Schranken vorhanden waren, die Gefahr erhöht. Es erschien deshalb angemessen, der Beklagten ein Drittel, den Klägern zwei Drittel des Schadens aufzubürden.
Gegen diese Entscheidung legten beide Parteien Revision ein. Die Kläger mochten geltend, dass sie unmöglich für den Tod des R. und des Chauffeurs haften könnten, da diese ja gleichzeitig mit R. verstorben sein. Die Gegenseite verlangte, dass die Kläger allein den ganzen Schaden zu tragen hätten. Das Reichsgericht hob das angefochtene Urteil auf und verweis die Sache an den Vorderrichter zurück.
03.06.1919 Karlsruher Tagblatt, Nr. 158, Seite 5 – Gerichtssaal.